Exkurs für Denkmalpflege – die Baustilepochen 2
Begriffe der Baustellenkunde
Als Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger ist ein fundiertes Verständnis der architektonischen Meisterwerke, die gepflegt und erhalten werden, unerlässlich. Von den opulenten Barockfassaden über die klaren, geometrischen Formen des Klassizismus bis hin zu den innovativen Strukturen der modernen Architektur – jede dieser Epochen stellt spezifische Herausforderungen dar. Der Beitrag beleuchtet die Bedeutung des Wissens um die architektonischen Besonderheiten jeder Zeit und die Anwendung geeigneter Techniken, um diese historischen Bauwerke in ihrem vollen Glanz zu erhalten.
Barock (1575 bis 1770)
Ausdruck zu bringen. Daher entstehen besonders pompöse Bauwerke. Stilelemente der Renaissance werden zur Gestaltung herangezogen und verdoppelt oder verdreifacht. So kann man an den Fassaden meist zwei oder drei Säulen ganz dicht nebeneinander platziert finden.
Stilelemente
- Repräsentationsarchitektur
- Stilelemente der Renaissance werden übernommen und verdoppelt oder verdreifacht
- Schwingende, konkave und konvexe Formen
- Reicher ornamentaler Schmuck
Beispiele: Stift Melk, Melk; 1702, Stadtpalais Liechtenstein, Wien; 1691, Karlskirche, Wien; 1716.
Das barocke Schloss
Das Schloss Versailles gilt als Vorbild für alle weiteren Schlossbauten. Es wurde unter dem französischen König Ludwig XIV. gebaut.
- Ausdruck absolutistischer Herrschaft
- Repräsentativer Wohnbau
- Mittleres Hauptgebäude und Seitenflügel
- Im Inneren unter anderem: Prunktreppe, Thronsaal, Festsaal, Spiegelgalerie, Kapelle
- Barocke Gartenanlage: auf das Schloss bezogenes Achsensystem, gerade Linien geometrische Gärten, Unterwerfung der Natur
Beispiel: Schloss Versailles, Paris; ab 1668
Rokoko (1720 bis 1770)
Rokoko ist ein Dekorationsstil und wird auch als Spätphase des Barock bezeichnet.
Eines der beliebtesten Gestaltungselemente im Rokoko ist die Rocaille.
Stilelemente
- Leitmotiv: Rocaille = muschelförmiges Ornament
- Übermäßige Verzierung von Bauten, Innenräumen, Möbeln
- Verzicht auf Symmetrie
Beispiele: Wallfahrtskirche Wies, Bayern, 1750
Klassizismus (1770 bis 1830)
Der Klassizismus ist eine künstlerische Gegenbewegung zum Rokoko. Die Gestaltung der Bauwerke ist wieder etwas ruhiger und reduzierter. Die Antike erhält wieder einen hohen Stellenwert. Allerdings wird im Klassizismus – im Gegensatz zur Renaissance – die Antike tatsächlich erforscht. Es werden Ausgrabungen und Vermessungen durchgeführt und umfangreiche Dokumentationen erstellt.
Es entstehen zwei neue, wichtige Bauaufgaben: Museum und Theater.
Wichtige Architekten: Robert Adam, Leo von Klenze, Karl Friedrich Schinkel, Joseph Kornhäusel
Stilelemente
- Rückgriff auf Elemente der Antike
- Geradlinige, klare Formen
- Gliederung blockhafter Baukörper
- Monumentalität, Axialität
Beispiele: Glyptothek, München; 1815, Leo von Klenze; Altes Museum, Berlin; 1816, Karl Friedrich Schinkel
Historismus (1830 bis 1910)
Im Historismus greifen die Architekten bei der Gestaltung von Gebäuden wieder auf bereits vergangene Stilepochen zurück. Allerdings beschränken sie sich dabei nicht nur auf di Antike – wie in der Renaissance oder im Klassizismus. Alle Stilepochen werden als wertig angesehen und werden auch oft in einem Bauwerk miteinander gemischt. So kann
Stilelemente
- Rückgriff auf vergangene Stilepochen
- Oft auch Mischung verschiedener Stile in einem Gebäude
- Man spricht auch von Neogotik oder Neorenaissance.
- Bei den Gebäuden ist es schwer zu erkennen, wann sie tatsächlich gebaut wurden.
Beispiele:
- Neogotik: Rathaus, Wien; 1880, Friedrich Schmidt
- Antik-klassizistischer Stil: Parlament, Wien; 1880, Theophil Hansen
- Stilmix (Gotik, Klassizismus): Friedrichswerdersche Kirche, Berlin; 1830, Karl Friedrich Schinkel
Jugendstil (1890 bis 1910)
Im Jugendstil geht es den Architekten vor allem darum, neue Formen und Stile zu schaffen und sich nicht an historischen Bauwerken zu orientieren. Sie suchen nach dem Stil der Zeit. Die Formensprache wird ruhig und klar. Als dekoratives Element werden vor allem florale Ornamente verwendet.
Stilelemente
- Keine historischen Vorbilder
- Klare und einfache Bauformen
- Dekorativ geschwungene Linien
- Florale Ornamente
Beispiele: Secessionsgebäude, Wien; 1898, Joseph Maria Olbrich; Wienzeilenhäuser, Wien; um 1900, Otto Wagner
Klassische Moderne (1905 bis 1960)
Mit der klassischen Moderne beginnt eine ganz neue Formensprache in der Architektur. Die Architekten lassen alle vergangenen Stile hinter sich und entwickeln eine vollkommen neue Stilrichtung.
Die Bauwerke erhalten kubische Formen, großzügige Fenster, flache Dächer und weiße, glatte Fassaden ohne Ornamente. Die Grundrisse werden freier gestaltet und die Trennung zwischen Außenraum und Innenraum wird fließend.
Wegbereiter der neuen Formensprache: Walter Gropius (Deutschland), Le Corbusier (Schweiz), Ludwig Mies van der Rohe (Deutschland), Adolf Loos (Österreich)
Stilelemente
- Kein Ornament
- Glatte, zumeist weiße Fassade
- Flachdach
- Fensterbänder oder raumhohe Verglasungen
- Kubische Formen
- Verbindung von außen und innen
Beispiele: Hauptgebäude der Meisterhäuser, Dessau; 1925, Walter Gropius, Haas-Haus, Stephansplatz Wien; 1990, Hans Hollein
Postmoderne (1960 bis 1980
Die Postmoderne ist eine Gegenbewegung zur klassischen Moderne. Die Vertreter der Postmoderne sehen die vergangenen Stile und die Tradition nicht als etwas, das überwunden werden muss, sondern als Sammlung von Möglichkeiten. Allerdings bauen sie die alten Stile nicht exakt nach, sondern zitieren diese, wodurch sehr interessante Mischungen entstehen.
Stilelemente
- Stilelemente der Vergangenheit werden nicht nachgeahmt, sondern zitiert.
- Verschiedene Stile werden vermischt. Sehr farbenfroh.
Beispiel: Hungerburgbahn Bergstation, Innsbruck; 2007, Zaha Hadid
Zeitgenössische Architektur (1980 bis heute)
- Dekonstruktivismus
- Strukturen und Formen werden zerlegt (dekonstruiert) und neu zusammengefügt.
- Formen werden neu interpretiert. Keine einfachen Geometrien wie Würfel oder Zylinder.
- Abweichung von Werten der Harmonie und Einheit.
Wichtige Vertreter: Coop Himmelb(l)au (Österreich), Frank Gehry (USA), Rem Koolhaas (Niederlande), Zaha Hadid (Irak)
Beispiele: DC-Tower, Wien; 2014, Dominique Perrault, Vitra Design Museum, Weil am Rhein; 1989, Frank Gehry
- Minimalismus
- Reduzierte (minimierte) Formensprache
- Verwendung qualitativ hochwertiger Materialien
- Schönheit durch Form und Material
Wichtige Vertreter: Peter Zumthor (Schweiz), Dominique Perrault (Frankreich), Herzog & de Meron (Schweiz)
Beispiel: Feldkapelle, Mechernich-Wachendorf, 2007, Peter Zumthor
- Organische Architektur
- Formen finden Anlehnung an die Natur, wie zum Beispiel ein Skelett oder ein Blatt.
- „Gewachsene” Formen.
Wichtige Vertreter: Otto Frei (Deutschland), Santiago Calatrava (Spanien)
Beispiel: Bergiselschanze, Innsbruck; 2003, Zaha Hadid
- Blob-Architektur
- Freiform-Architektur
- Nur mit Unterstützung von speziellen Computerprogrammen zeichen- und baubar
- Fließende, gerundete und biomorphe Formen (biomorph = Übergehen einer Form in die andere)
Wichtige Vertreter: Peter Cook (Großbritannien), Future Systems (Architektengruppe mit Norman Foster, Renzo Piano u. a.)
Beispiel: Kunsthaus, Graz; 2003, Peter Cook
Quelle:
Reinigungstechnik – Handbuch, Austrian Standards, Die Gebäudereiniger und Hausbetreuer